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DGIV-Stellungnahme zum TSVG-Änderungsantrag 6

DGIV-Stellungnahme zum TSVG-Änderungsantrag 6 der Fraktionen CDU/CSU und SPD (Verbot von Vereinbarungen, die bestimmte Diagnosen als Voraussetzung für Vergütungen vorsehen)

Seitdem 2016 TK-Vorstand Dr. Baas das Thema Verhinderung von Kodieranreizen in Kassenvereinbarungen über Diagnosevergütungen bekannt gemacht hatte, versuchen Regierung und Gesetzgeber, das System der Verteilung von RSA-Mitteln manipulationsresistenter zu machen.

Für die DGIV ist es selbstverständlich, dass hier Regelungslücken, die zum Schaffen von Fehlanreizen ausgenutzt werden könnten, beseitigt werden müssen. Für alle Leistungen der GKV gilt das Wirtschaftlichkeitsgebot. Leistungen, die nicht notwendig oder unwirtschaftlich sind, können Versicherte nicht beanspruchen, dürfen die Leistungserbringer nicht bewirken und die Krankenkassen nicht bewilligen. Das muss gerade auch dort konsequent gewährleistet werden, wo den Vertragspartnern ein größerer Vereinbarungsspielraum eingeräumt wird als in der Regelversorgung.

Die im April 2017 mit dem HHVG in das SGB V eingebrachten Formulierungen und der Wortlaut des Änderungsantrages 6 sowie seine Begründung vermögen dennoch nicht zu überzeugen. Die DGIV kann zwar nachvollziehen, was mit den Gesetzesänderungen bezweckt werden soll, hält aber die gewählten Formulierungen – auch des neuen Änderungsantrages – immer noch nicht für gelungen, da damit auch Vergütungsvereinbarungen ohne jeden manipulativen Hintergrund im Rahmen von rechtmäßigen innovativen Versorgungslösungen, wie sie zum Teil schon über Jahre hinweg in der Selektivversorgung mit Versorgungsleben ausgefüllt werden, mit in Abrede gestellt werden.

Die nunmehrige Verbotsformulierung des TSVG-Änderungsantrages 6 „Vereinbarungen, die bestimmte Diagnosen als Voraussetzung für Vergütungen vorsehen“ trifft aus Sicht der DGIV immer noch nicht nur den Kern der Bestrebungen, nämlich die Verhinderung unerwünschter Manipulations- und Missbrauchsversuche, sondern eben auch viele gelungene Vergütungslösungen der Selektivversorgung, die keinerlei verwerflichen Gehalt aufweisen. Die gesetzlichen Änderungsvorschläge werden den vielschichtigen Inhalten der Begründung des Änderungsantrages und der Notwendigkeit der Absicherung frei kontrahierbarer Vertragsabreden zwischen Kassen und Leistungserbringern über die Vergütung medizinisch korrekter Diagnosestellungen, die zu keiner missbräuchlichen Mittelzuführung aus dem Gesundheitsfonds führen, nicht gerecht. Das gilt umso mehr, als mit der Antragsbegründung auch neue unbestimmte Termini eingebracht werden (u. a. Patientengruppen mit bestimmten Krankheiten, allgemeiner Krankheitsbegriff).

Es dürfte unstrittig sein, dass medizinisch korrektes Kodieren von Diagnosen nicht verboten, sondern geboten ist. Deshalb wird unverändert auch die Kodierpflicht im ambulanten Bereich gebraucht. Es kann daher auch nichts dagegensprechen, medizinisch korrektes Kodieren außerhalb der Regelversorgung zu vereinbaren und zu fördern. Missbrauch und Verwerflichkeit beginnt erst dann, wenn Abreden entstehen, die medizinisch unbegründete Kodierungen (mit dem Ziel der Erschleichung von Mitteln aus dem Gesundheitsfonds, auf die bei korrekter Kodierung kein Anspruch bestehen würde) belohnen. Diese und nur diese Tatbestände sollten durch eindeutige gesetzliche Formulierungen verboten werden.

Bei aller Erheblichkeit des Themas falscher Kodieranreize sollte man auch hier das Kind nicht mit dem Bade ausschütten, die Auswirkungen für die Selektivversorgung und übrigens auch die strukturierten Behandlungsprogramme wären fatal.

Die DGIV schlägt vor, anstatt der umstrittenen Formulierungen in etwa folgende Regelungen aufzunehmen:

  • § 73 Abs. 7 S. 1 wird wie folgt gefasst:
    „Es ist Vertragsärzten nicht gestattet, für die Zuweisung von Versicherten oder für die medizinisch nicht begründete Vergabe und Dokumentation von Diagnosen wirtschaftliche Vorteile sich versprechen oder sich gewähren zu lassen oder selbst zu versprechen oder zu gewähren.“
  • § 73b Abs. 5 S. 7 wird wie folgt gefasst:
    „Verträge bzw. Vertragsbestandteile, mit denen für medizinisch nicht begründete Kodierungen bestimmter Diagnosen wirtschaftliche Vorteile versprochen oder gewährt werden, sind unzulässig; die Pflicht nach § 295 Abs. 1 S. 1 Nr. 2, S. 2, Abs. 1b S. 1 bleibt unberührt.“
  • § 83 S. 4 wird wie folgt gefasst:
    „Kassenindividuelle oder kassenartenspezifische Vereinbarungen, mit denen für medizinisch nicht begründete Kodierungen bestimmter Diagnosen wirtschaftliche Vorteile versprochen oder gewährt werden, sind unzulässig.“
  • § 140a S. 7 wird wie folgt gefasst:
    „Verträge bzw. Vertragsbestandteile, mit denen für medizinisch nicht begründete Kodierungen bestimmter Diagnosen wirtschaftliche Vorteile versprochen oder gewährt werden, sind unzulässig; die Pflicht nach § 295 Abs. 1 S. 1 Nr. 2, S. 2, Abs. 1b S. 1 bleibt unberührt.“