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Positionspapier 2018

Zum Stand der Umsetzung des Versorgungsprinzips Integrierte Versorgung

Eckpunkte:

  1. Die Weiterentwicklung integrierender Versorgungslösungen in der Regel- und Selektivversorgung steht derzeit auf Standby. Die konstituierende Sitzung der BundLänder-Arbeitsgruppe sektorenübergreifende Versorgung unter Einbeziehung der Regierungsfraktionen fand erst im September dieses Jahres statt. Die Vorschläge sollen bis 2020 vorgelegt werden.
  2. In einer Zeit, in der den Bürgerinnen und Bürgern zusätzliche Sozialabgaben, z. B. zur Pflegeversicherung, angekündigt werden, darf der Staat nicht nachlassen im Bemühen um Ausschöpfung der im Gesundheitswesen ruhenden Effizienzreserven.
  3. Das Gutachten 2018 des SVR Gesundheit vermittelt wichtige Aufschlüsse, insbesondere über die Notwendigkeit zur Schaffung eines einheitlichen Ordnungsrahmens für den Schnittstellenbereich von ambulant und stationär. Es ist wichtig, mit größter Sorgfalt und Wissenschaftlichkeit einen Katalog von ambulanten Prozeduren zu definieren, die von Krankenhäusern und vertragsärztlichen Leistungserbringern in gleicher Höhe abgerechnet werden können. Hier geht es insbesondere um die Frage, welche Leistungen stationsersetzend ambulant oder kurzstationär erbracht werden müssen.
  4. Mit der Einrichtung „Integrierter Notfallzentren“ besteht die Chance, einen Meilenstein auf dem Weg zur Beseitigung sektoraler Grenzen zu erreichen. Die Sicherstellung dieser Versorgungsaufträge sollte den Krankenkassen übertragen werden.
  5. Die medizinische Zusammenarbeit zwischen Haus- und Facharzt ist auch in der Regelversorgung ein sehr weites, durch wechselseitige Beziehungen geprägtes Feld, das durch eine gesetzliche Lotsenfunktion des Hausarztes nicht ausreichend verbessert bestellt werden kann. Bei der Übernahme in die Regelversorgung sollten weitere in der Integrierten Versorgung gewonnene Erkenntnisse mit einbezogen werden.
  6. Die deutliche Mehrheit aller Versorgungslösungen – auch der durch den Innovationsfonds geförderten – akzeptiert noch die Sektorentrennung wie selbstverständlich.
  7. Die Eröffnung von Versorgungswegen im stationären Sektor für vertragsärztliche Leistungserbringer bleibt in der Entwicklung zurück. Insbesondere stagniert die Versorgung mit stationsersetzenden Maßnahmen. Fachärzte und deren Gemeinschaften, die Voraussetzungen zur praxisklinischen Behandlung aufweisen, sind als – insbesondere stationsersetzende – Leistungserbringer geeignet. D
  8. ie gesetzlichen Rahmenbedingungen zur Erbringung allgemeiner Krankenhausleistungen durch niedergelassene Kooperations- bzw. „Honorarärzte“ bedürfen dringend der weiteren Liberalisierung. Hier muss der Gesetzgeber handeln, indem er umstrittene Rechtsfragen durch weitere Klarstellungen beantwortet.
  9. Die traditionelle sektorenübergreifende Versorgungsform Belegarztwesen kränkelt. Kuriert werden kann dieser Patient nur durch eine grundlegende Reform.
  10. Die sektorenübergreifende Bedarfsplanung sollte Ländersache bleiben; nur wenn vom Instrument der sektorenübergreifenden Bedarfsplanung nicht oder nicht genügend Gebrauch gemacht wird, sollten diese Aufgaben (auch) in die Bundeskompetenz verlagert werden. Derzeit mangelt es noch vielfach in den Ländern diesbezüglich an Einsicht in die Notwendigkeit. Auch hier scheitert modernes Versorgungsdenken oft noch an den Sektorengrenzen in den Köpfen.
  11. Der Kabinettsentwurf des Terminservice- und Versorgungsgesetzes vom 26.09.2018 ist zu recht nicht unumstritten. Er stellt keine große, systematische Versorgungsreform dar.
  12. Die für einen gleichwertigen Zugang zur ambulanten vertragsärztlichen Versorgung ins Auge gefassten Maßnahmen vermögen nicht zu überzeugen. Zusätzliche Sprechstundenangebote im angestrebten Umfang wird man unter den Bedingungen der bestehenden Bedarfsplanung und Regelleistungsvolumina, den derzeitigen Zeitprofilen und den drohenden Konsequenzen aus Überschreitungen der festgeschriebenen Plausibilitätsgrundlagen wohl kaum erreichen.
  13. Die Versorgungsangebote der Ärzte in der ambulanten vertragsärztlichen Versorgung sind systembedingt. Ob die vorgeschlagenen finanziellen Anreize oder auch eine Verstärkung der Hausarztzentrierten Versorgung als systemändernde Maßnahmen für die o. g. Zielstellung ausreichen, muss bezweifelt werden.
  14. Für die weitere Angleichung der Rahmenbedingungen für MVZ und Vertragsärzte spricht vieles. So wie es nachvollziehbar ist, dass der Zulassungsausschuss bei der Nachbesetzung einer genehmigten MVZ-Anstellung den Bedarf prüfen soll, sollte er auch bei Vertragsärzten nur über das „ob“ und nicht über das „wie“ der Nachbesetzung entscheiden.
  15. Jede zugelassene Gemeinschaft von Leistungserbringern bzw. Trägern gem. § 95 Abs. 1a SGB V, darunter auch „anerkannte Praxisnetze“ zugelassener Vertragsärzte, sollte berechtigt sein, in der hierfür im Gesetz zugelassenen Rechtsform – auch ohne die Beschränkung auf unterversorgte Regionen – MVZ zu gründen.
  16. Das Problem des Aufkaufs von Vertragsarztsitzen durch Investoren liegt nicht in den Zulassungsbestimmungen für MVZ-Gründer bzw. –Träger, sondern in den Zulassungsbestimmungen für Krankenhausgründer bzw. –träger. Um weiteren Missbräuchen vorzubeugen, spricht viel dafür, über Regelungen nachzudenken, die die Krankenhausträgerschaft in ähnlicher Weise betreffen wie die MVZ-Trägerschaft.
  17. Gerade im Gesundheitswesen sollte die Entwicklung des Verhältnisses von Datenschutz und öffentlichem Informationsbedürfnis mit der Entwicklung von Techniken und Technologien im Digitalisierungsprozess Schritt halten.
  18. Das Patientenwohl steht im Mittelpunkt der gesundheitlichen Versorgung und die Interessenslagen aller am Versorgungsgeschehen Beteiligten müssen sich an dieser Prämisse ausrichten.