top
X

DGIV-Stellungnahme zur GVWG-Anhörung am 19.11.2020

Die Deutsche Gesellschaft für Integrierten Versorgung im Gesundheitswesen e.V (DGIV) nimmt zu einzelnen Regelungen des Gesundheitsversorgungsweiterentwicklungsgesetzes (GVWG) wie folgt Stellung:

Stellungnahme zum §39d SGB V (Nr. 12):

Nach anfänglichen Startschwierigkeiten ist die Spezialisierte Ambulante Palliativversorgung (SAPV) seit ihrer Einführung im Jahr 2007 einer der wenigen gut funktionierenden Versorgungsbereiche, in dem auf gesetzlicher Grundlage Heil- und Pflegeberufe unterschiedlicher Qualifikationen und Bereiche konstruktiv und im Team gemeinsame Leitungsangebote erbringen. Sie ist damit einer der wenigen Leistungsbereiche des deutschen Gesundheitssystems, in dem integriert, interdisziplinär, interprofessionell, intersektoral und in einer selbst ge- wählten Teamorganisation Leistungen erbracht und abgerechnet werden können. Die genannten Startschwierigkeiten waren vor allem darauf zurückzuführen, dass die ursprüngliche SAPV-Gesetzgebung die SAPV-Teams dazu gezwungen hat, jeweils einzeln mit den Krankenkassen oder den regionalen Kassenverbänden Verhandlungsgespräche zu führen. Die SAPV ist damit zu einem Wettbewerbsfeld geworden, das gerade für Palliativleistungen nicht angezeigt und für die SAPV-Team oft auch organisatorisch nicht zu leisten ist.

Die DGIV begrüßt daher die nun im GVWG niedergelegten Änderungen ausdrücklich. Sie setzen fest, dass SAPV-Leistungen von den regionalen Kassenverbänden in Zusammenarbeit mit den Kommunen einheitlich und gemeinsam angeboten, koordiniert und finanziert werden müssen. Damit übertragen sie die Organisationsverantwortung an die eigentlich verantwortlichen Strukturen und entlasten die SAPV-Teams von wettbewerblichen und organisatorischen Aufgaben. Mit der jährlichen Fördersumme von max. 15.000 Euro werden organisatorische Aufgaben potentieller SAPV-Teams zusätzlich finanziell flankiert und Weiterbildungsmaßnahmen gefördert. Auch eine Evaluation der Maßnahmen bis zum 31. März 2025 erscheint der DGIV sinnvoll.

Aus Sicht der DGIV sollte allerdings zukünftig intensiv darauf hingearbeitet werden, die bislang isolierten „Inseln“ einer integrierten, interdisziplinären, interprofessionellen und intersektoralen Leistungserbringung zu vernetzen und miteinander in Beziehung zu bringen. Bereits jetzt ergeben sich Berührungspunkte zwischen der Spezialisierten Ambulanten Palliativversorgung nach § 39d und der Ambulanten Spezialfachärztlichen Versorgung (ASV) nach § 116b – wobei in der ASV die dort geforderte Teambildung nicht auf weitere, nicht-ärztliche Heilberufe ausgeweitet werden kann. Auch in den bisherigen (und zukünftigen) Disease Management Programmen sind entsprechende Kooperationen nicht in solchem Maße möglich, wie in der SAPV (siehe hierzu auch unsere untenstehende Stellungnahme zum DMP Adipositas). In vielen Bereichen könnte also der Organisation der SAPV ein Modellcharakter zukommen, der auch für die kurativen Leistungsbereiche des SGB V eine Vorbildfunktion haben sollte. Die dringende Anregung der DGIV lautet also, hier für stärkere Stringenz und miteinander verschränkte Versorgungskonzepte innerhalb des gesamten SGB V (und ggf. auch darüber hinaus) Sorge zu tragen.

Stellungnahme zum § 118 Abs. 2 SGB V (Nr. 29):

Die DGIV begrüßt die Integration psychiatrischer und psychosomatischer Institutsambulanzen in die Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses nach §92 Abs. 6. Vor allem bei einer Unterversorgung im ambulanten Bereich wird damit eine Behandlung psychiatrische und psychosomatischer Patienten über die Sektorengrenzen hinweg deutlich erleichtert.

Allerdings gibt die DGIV grundsätzlich zu bedenken, dass auch die ambulante Versorgung in einzelnen Versorgungsbereichen Potentiale hat, stationäre Versorgungslücken zu kompensieren. Es wäre also darauf zu achten, dass zum einen die erweiterten Möglichkeiten psychiatrischer und psychosomatischer Institutsambulanzen nicht dazu führen, bestehende ambulante Versorgungsangebote zu verdrängen und dass zum anderen der ambulanten Versorgung in gleichem Maße Möglichkeiten eingeräumt werden, stationäre Versorgungsdefizite zu kompensieren, wie umgekehrt. Hier sehen wir die Gefahr ein grundsätzlichen Schieflage zu Ungunsten ambulanter Leistungserbringer.

Stellungnahme zum § 136a SGB V (Nr. 34):

Der vorliegende Referentenentwurf zum GVWG sieht vor, „Qualität und Transparenz in der Versorgung durch verschiedene Maßnahmen zu steigern“.

Es ist aus Sicht der DGIV begrüßenswert, dass die Änderungen des § 136a vorsehen, sowohl Qualitätsdaten aus der vertragsärztlichen Versorgung als auch aus den Krankenhäusern im Sinne eines transparenteren, einrichtungsübergreifenden Qualitätsvergleichs intensiver zu nutzen. Besonders lobenswert ist die Betonung auf Allgemeinverständlichkeit.

Jedoch sollte diese Betrachtung die mittlerweile zahlreich vorhandenen intersektoralen Versorgungsformen mit einbeziehen. Für diese liegen zwar häufig wissenschaftliche Veröffentlichungen oder separate Berichte vor. Um langfristig die Regelversorgung in Richtung inter- sektorale Zusammenarbeit zu entwickeln, muss für Patientinnen und Patienten jedoch schnell, zentral und transparent ersichtlich sein, welche Vorteile ihnen z.B. bei der Hüft-Endoprothesen Operation in einem Vertrag nach § 140a SGB V gegenüber der Regelversorgung entstehen.

Dazu sollte mittelfristig ein Rahmenwerk für eine versorgungsformunabhängige und sektorenübergreifende Qualitätsberichterstattung geschaffen werden mit dem Ziel indikationsbezogener Vergleiche zwischen verschiedenen Versorgungsangeboten. Kurzfristig soll- ten sich selektivvertragliche Angebote in den bislang angestrebten Auswertungen freiwillig lis- ten lassen können.

Stellungnahme zum § 137f SGB V (Nr. 39):

Die DGIV begrüßt die geplante Etablierung eines Strukturierten Behandlungsprogramm zur Behandlung der Adipositas. Seit ihrer Etablierung im Jahr 2002 erleichtern so genannte Disease Management Programme (DMP) die interdisziplinäre Kooperation der Leistungserbringer – ausdrücklich auch über die Sektorengrenzen hinweg. Sie können damit zu ei- nem wichtigen Baustein einer zukünftig komplett integrierten Versorgungslandschaft werden. In diesem Zusammenhang ist auch die Etablierung eines DMP Adipositas zu begrüßen.

Die DGIV gibt aber in diesem Fall zu bedenken, dass die Adipositas-Therapie zu großen Teilen auch nicht-ärztliche Heilberufe umfassen muss. Wir regen daher an, dem Gemein- samen Bundesausschuss in diesem Fall in Erweiterung der Richtlinie nach Absatz 2 ausdrücklich auch die Berücksichtigung anderer nicht-ärztlicher Heilberufe (beispielsweise Ernährungsberatung, Sport- und Physiotherapie) zur Aufgabe zu machen. – Siehe hierzu auch unsere obenstehende Stellungnahme zu den geplanten Änderungen des § 39d SGB V.