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DGIV Stellungnahme zur GPVG-Anhörung am 16.11.2020

Nachtrag zur DGIV-Stellungnahme vom 26. 8. 2020 zum Gesetzentwurf der Bundesregierung über ein Versorgungsverbesserungsgesetz (GPVG)

Zur Novelle des § 140a SGB V:

In einer ersten Stellungnahme hat die DGIV am 26. August 2020 den Referentenentwurf des BMG vom 06.08.2020 kommentiert. Angemerkt wurde, dass trotz einiger wichtiger Entwick- lungsschritte und technischer Korrekturen im Detail der Entwurf der Umsetzung des Prinzips der Integrierten Versorgung im deutschen Gesundheitswesen noch nicht die notwendigen Im- pulse zu verleihen vermag. Vor allem fehlt ein grundsätzlicher Wechsel hin zum Ansatz integrierter Versorgungskonzepte als Regelversorgung.

Die damalige Einschätzung wird mit der vorliegenden Stellungnahme bekräftigt. Im Hinblick auf ihre besondere Relevanz sollen folgende Aspekte jedoch nochmals besonders betont werden.

Explizit positiv bewertet die DGIV:

  1. Erweiterung auf nichtärztliche Heilberufe; dies ist eine notwendige Anerkennung ihrerRelevanz für integrierte Versorgungsansätze.
  2. Erweiterung auf andere Sozialversicherungsträger; auch hier erfolgt eine dringend an- gezeigte Annäherung an die Versorgungsbedarfe insbesondere vulnerabler Bevölkerungs- und Patientengruppen.
  3. Exit-Option für erfolgreiche, aber auslaufende Projekte des Innnovationsfonds; zwar wird hiermit keine Lösung des grundlegenden Problems erreicht, die Fortführung erfolgreicher Projekte kann hierdurch jedoch zumindest mittelfristig sichergestellt werden.
  4. Streichung der 4-Jahresfrist zum Nachweis der Wirtschaftlichkeit; diese hat sich in der Vergangenheit häufig als Hemmschuh erwiesen und eigentlich vielversprechende Projekte verhindert.
  5. Klarstellungen wie zur Option der regionalen Begrenzung und der Möglichkeit der Krankenkassen sich für Beratungs-, Koordinierungs- und Managementleistungen Dritter bedienen zu dürfen; dies entspricht praktischen Erfordernissen, welche die Umsetzung insb. auch strukturverändernder intersektoraler Versorgungsinnovationen in ei- ner Region erleichtern.

Kritisch sind folgende Punkte zu bemerken:

  1. Bei der Erweiterung auf nichtärztliche Heilberufe wird halbherzig agiert; es wäre wünschenswert, den Vertragspartnern hier größere Freiheitsgrade bei Entscheidungen zur Leistungserbringung einzuräumen.
  2. Nach wie vor gibt es keine regelhafte Überführung von erfolgreichen Innovationsfonds-Projekten in die Regelversorgung; zwar wird der Abbruch erfolgreicher Projekte vermieden, das grundlegende Problem des fehlenden Transfers in die Regelversorgung wird jedoch nicht gelöst; es besteht die Gefahr, dass nach Abwendung der akuten Ge- fahr der Handlungsdruck, eine echte Lösung zu finden, weiter abnimmt.
  3. Regionale Modelle der integrierten Versorgung mit Veränderung der Versorgungsstrukturen erfordern i.d.R. Beteiligung (nahezu) aller in der Region vertretenen Kassen. Der- artige regionale „Kollektivverträge“ werden weiterhin explizit ausgeschlossen, was eine große Hürde für strukturverändernde Maßnahmen darstellt; der wettbewerbliche Charakter der Verträge nach §140a SGB V steht dabei in einem Spannungsverhältnis zum Anspruch auch weitreichende integrierte Versorgung substantiell zu fördern. Eine Offenheit für zumindest regionale kollektive Lösungen würde dem Wettbewerbsgedanken nicht grundsätzlich entgegenstehen, da auch weiterhin Selektivverträge mit einzelnen Kassen geschlossen werden können. Vielmehr würde es dem Wettbewerbsgedanken Rechnung tragen, wenn sich besonders erfolgreiche Innovationen auf diesem Wege durchsetzen können. Beim aktuellen Vorschlag bleiben weiterhin große Hindernisse für Modelle wie Primärversorgungszentren, Intersektorale Gesundheitszentren etc. beste- hen.

Abgesehen davon, dass einige zentrale Hürden bestehen bleiben, steht vor allem zu befürchten, dass man sich in einzelnen Details verliert – so hilfreich und notwendig deren Überwindung ist – und darüber der weite Blick für den sich immer deutlicher zeigenden Bedarf an sektorenübergreifenden Versorgungsansätzen (vor allem zur Behandlung und Linderung chronischer Erkrankungen) verloren geht. Bei aller Wertschätzung der positiven Aspekte betont die DGIV an dieser Stelle nochmals den unverändert hohen Handlungsbedarf, zu grundlegenden Lösungen zu gelangen.