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Positionspapier zur Bundestagswahl 2021

Das deutsche Gesundheitssystem im Aufbruch

Executive Summary:

Mit dem vorliegenden Positionspapier nimmt die Deutsche Gesellschaft für Integrierte Versorgung im Gesundheitswesen e.V. (DGIV) Stellung zu den unzureichenden und komplizierter werdenden Rahmenbedingungen für eine am tatsächlichen Versorgungsbedarf orientierte Patientenversorgung und formuliert politische Grundforderungen für die kommende Legislaturperiode.

Nicht zuletzt hat die Corona-Pandemie gezeigt, mit welchen speziellen Herausforderungen das deutsche Gesundheitssystem zu kämpfen hat und wo – auch jenseits einer pandemischen Lage – die Schwierigkeiten einer kontinuierlichen, bedarfsgerechten Patientenbehandlung liegen. Medizinischer Fortschritt und demografischer Wandel haben bereits vor der Pandemie grundlegend neue Anforderungen definiert. Charakteristisch ist die Fokussierung unseres Systems auf die Akutversorgung, wie sie zu dessen historischer Entstehungszeit als der Normalfall gegeben war. Die Versorgung chronisch kranker Patienten, die heute dominierend für die Ausgabenstruktur der Krankenkassen ist, war in den Gründungsjahren des Rechtsrahmens, der dem heutigen SGB V entspricht, die Ausnahme. Heute ist sie die Regel. Doch sollte das Modell der integrierten, sektorenunabhängigen Versorgung auch in komplexen Lagen der Akutversorgung zwischenzeitlich längst Standard geworden sein. Doch auch davon sind wir noch weit entfernt.

Aus diesen Erkenntnissen leitet die DGIV folgende politische Grundforderungen für die kommende Legislaturperiode ab:

  1. Orientierung des Gesundheitssystems am konkreten Versorgungsbedarf vor allem chronisch kranker Patientinnen und Patienten.
  2. Vereinfachung des SGB V durch Formulierung eines eigenständigen Kapitels „für Menschen mit interdisziplinären, intersektoralen und interprofessionellen Behandlungsbedarf“.
  3. Freiheiten für die Versorgungsakteure und Vertragspartner zur Ausgestaltung und Weiterentwicklung regionaler Versorgungstrukturen am konkreten Bedarf vor Ort.
  4. Vereinheitlichung der Aufsichtssituation für alle Krankenkassen
  5. Streichung der Wirtschaftlichkeitsprüfung für neue Versorgungsansätze. Aufsichtsrechtliche Orientierung ausschließlich an evaluierten, patientenorientierten Ergebnissen.
  6. Weiterentwicklung der gemeinsamen Selbstverwaltung durch einen reformierten und erweiterten Gemeinsamen Bundesausschuss und durch gestärkte regionale Entscheidungsgremien.
  7. Bestandssicherung für alle bislang entwickelten und positiv evaluierten intersektoralen Versorgungsansätze.
  8. Etablierung einer allen Akteuren zugänglichen interoperablen digitalen Infrastruktur auf der Grundlage geschützter interner Kommunikationswege.
  9. Aufbau datenschutzrechtlicher Rahmenbedingungen, die die Patientensouveränität und die Patientensicherheit in den Mittelpunkt stellen.
  10. Etablierung integrierter Konzepte und Modellversuche zu einer gemeinsamen Grundausbildung aller akademischen Gesundheitsberufe.