Albrecht Kloepfer: Liebe Clarissa, lieber Eckhard, lieber Michael, fangen wir mal mit einer ersten kurzen Bewertung an: Wie ist denn Eure erste Einschätzung zur aktuell diskutierten Krankenhausreform? Kommen wir da wesentliche Schritte voran – auch im Sinne der Integrierten Versorgung?
Eckhard Nagel: Ich denke schon. Die jetzt erkennbaren Reformansätze können deutlich dazu beitragen, dass unsere Idee der Integrierten Versorgung wirklich in ein neues Entwicklungsstadium kommt oder sogar zu einem neuen Standard wird. Das hängt vor allem damit zusammen, dass die klassische stationäre Versorgung, so wie sie in vielen Regionen schon mal Standard gewesen ist, aufgrund des Fachkräftemangels, aufgrund struktureller Einschränkungen und auch aufgrund von Veränderungen der medizinischen Angebote, wie beispielsweise Zentrumsbildung, in der bisherigen Form nicht mehr angeboten werden kann und angeboten wird. Die jetzt geplante Krankenhausreform greift diese Entwicklungen auf und ermöglicht – beispielsweise mit Hybrid-DRGs und den Häusern des Levels 1i – neue Versorgungsstrukturen. Sie kommt damit unserer Idee einer sektorenübergreifenden Versorgung sehr viel näher. Unsere Argumentation war ja immer: Die Realität muss im System abgebildet werden. Diese Krankenhausreform geht einen Schritt auf diese Realität zu.
Kloepfer: Ich sehe tatsächlich besonders im Level 1i eine echte Chance auch für das, was wir seit Jahren im Bereich integrierte Sektoren und auch interprofessionelle Versorgung fordern. Clarissa, siehst Du hier auch eine Chance auch in Richtung der anderen Gesundheitsberufe?
Clarissa Kurscheid: Es wird sehr darauf ankommen, wie dieses Level 1i ausgestaltet wird und ob es die Level tatsächlich nachher so geben wird, wie sie ursprünglich von der Regierungskommission angedacht wurden. Wenn dem so ist, dann sehe ich sowohl für Hebammen als auch für Pflegefachkräfte – insbesondere für akademisch ausgebildete Pflegeberufe – durchaus eine Chance. Wir müssen dann aber auch die Frage der unterstützenden Technik stellen: Inwieweit werden technische Lösungen mit einbezogen? Inwieweit lassen sich Satellitenstrukturen etablieren, die dann vielleicht nicht dauerhaft, aber gut strukturiert flankierend genutzt werden? Das ist ja leider alles noch nicht klar. Aber ich denke, da steckt auf jeden Fall eine Chance. Es wäre dann allerdings auch schön, wenn das auf der Agenda stehende Thema community health nurse direkt noch in die Reform mit integriert werden könnte, weil auch eine solche Ausbildung, wie wir sie auch aus Kanada kennen, ein Haus des Level 1i nochmal stärker strukturiert. Auch über Funktion und Potentiale des in Deutschland neuen Berufsbildes des Physician Assistant könnte und sollte im Gesamtkonzept der Reform nochmal nachgedacht werden.
Nagel: Hier bin ich noch ein bisschen skeptisch: Ich denke, dass diese Reform keine komplette Interprofessionalität leisten kann, also eine Veränderung der professionellen Zuweisung von Aufgaben im Großen. Was sie aber leisten könnte, und da gebe ich Frau Kurscheid völlig recht, ist, im Kleinen damit zu beginnen und Möglichkeiten einzuräumen, diese Entwicklung positiv zu begleiten. Aber ich bin skeptisch, dass wir schon jetzt spezifische Veränderungen in Hinblick auf einzelne Berufsgruppen in dieser Reform einbringen können.
Michael Meyer: Ich möchte noch eine andere Perspektive einbringen, denn wir sollten nach meiner festen Überzeugung nicht nur über eine Krankenhausplanung sprechen, sondern wir sollten vielleicht auch davon ausgehen, wie eine solche Reform den Patientinnen und Patienten und ihren Angehörigen persönlich helfen kann, ihre patient journey bruchlos zu gestalten. Solange diese Perspektive nicht einbezogen wird – gerade in Flächenstrukturen –, bleiben die ganzen Reformansätze halbgar. In diesem Zusammenhang kommt für mich der Aspekt dazu, dass ich überhaupt nicht erkennen kann, wie die vertragsärztliche Versorgungsebene aktuell in die Reformüberlegungen integriert wird und wo es Planungssicherheit für diese Ebene gibt? Das erschwert aktuell beispielsweise auch massiv individuelle Überlegungen zu einer eventuellen Niederlassung jüngerer Ärztinnen und Ärzte. Für mich wird derzeit viel zu sehr vom stationären in Richtung ambulanter Sektor gedacht, ohne dass auch eine Neuordnung der ambulanten Strukturen und ihrer Potentiale – beispielsweise auch für die Substitution kleinerer stationärer Einheiten – mitgedacht und erkennbar wird.
Kloepfer: Dann müssten wir allerdings zusätzlich endlich auch zu einer sektorenübergreifenden Bedarfsplanung kommen. Bei unserem Termin neulich im Ministerium wurde ja erkennbar, dass dieser Aspekt zumindest auf dem Schirm ist. Hier könnte man tatsächlich auf eine Konvergenzphase im Reformprozess hoffen.
Im Moment müssen wir ja konstatieren, dass das System total vertikal, das heißt in einzelnen Säulen beplant wird: Wir haben die Sektor-Säulen, wir haben ganz viele fachärztliche plus eine hausärztliche Säule, wir haben auch in den verschiedenen Heilberufen und in der Reha und Pflege weitere Säulen, die alle einzeln betrachtet werden. Aber ich habe das Gefühl, dass mittlerweile ein Bewusstsein dafür ankommt, dass wir uns – vor allem im Sinne einer Orientierung an der patient journey, von der Michael gerade sprach – eher an einer horizontalen Planung orientiert müssen. Meine Hoffnung ist: Wenn wir gut sind, kriegen wir vielleicht diesen Paradigmenwechsel oder diese „Drehung des Systems um 90 Grad“, hin. Bin ich da aus eurer Sicht zu optimistisch?
Nagel: Ich fürchte, das wäre auch wieder eine Überfrachtung der Erwartungshaltung. Was wir jetzt erstmal brauchen, ist eine Stabilisierung des Systems aufgrund der sich verändernden Rahmenbedingungen. Wir haben hier allenfalls einen Einstieg, aber die Konzentration, der Blick auf diese Reform sollte auch die eines Einstieges sein und nicht die einer Revolution. Das wäre, glaube ich, wichtig, um auch nicht wieder in die Frustration überspannter Erwartungen zu kommen. Aber die Werkzeuge sind ja tatsächlich in der Diskussion, und da gibt es, glaube ich, auch noch ganz unterschiedliche Ansätze und auch Zielsetzungen. Wir müssen schlicht auch eine deutliche Stakeholder-Beharrlichkeit innerhalb des Systems konstatieren.
Demgegenüber glaube ich allerdings, dass das Thema Regionalität sehr wohl erkannt wurde und man sich darüber im Klaren ist, dass man keine Reform möchte, die unter Umständen schon erfolgreiche oder gerade auch in der Resonanz der Bevölkerung positiv bewertete Ansätze zunichte macht. Denn auch das passiert ja schnell mal, wenn man neue Gesetzgebungsmaßnahmen ergreift, dass man negative Entwicklungen in Bereichen und Strukturen auslöst, die sich vor Ort schon mal ganz gut entwickelt hatten. Ich empfehle, erwarte und erhoffe also auch hier keine revolutionären, sondern reflektierte und evaluierte Veränderungen.
Kloepfer: In der ambulanten spezialfachärztlichen Versorgung (ASV) ist ja eine solche Regionalität im Zulassungsverfahren bereits angelegt. Hätten wir hier vielleicht schon Instrumente, die man besser gängig machen und ausbauen müsste?
Kurscheid: Die 90a-Gremien sind tatsächlich hochspannend, weil da alle Akteure einer Region an einen Tisch müssen, aber im Kern sind sich auch da die Partner nach wie vor nicht einig, und die Gründe dafür hat Eckard Nagel eben schon genannt: das sind erster Linie Beharrungskräfte gepaart mit einer gewissen Sorge vor Transparenz. Tatsächlich ist allerdings natürlich der „Versorgungs-Pragmatismus“ vor Ort sehr viel höher, einfach, weil der Patient sozusagen unmittelbar vor den handelnden Akteuren auf der Straße steht. Deswegen halte ich diese Regionalität für den einzig gangbaren Weg, und ich bin der festen Überzeugung, dass das aus Berlin gar nicht bis ins Detail geregelt werden kann. Wir müssen uns vielmehr fragen: Was für Governance-Strukturen sind regional und in unterschiedlichster Art möglich, um solche Systeme regional tatsächlich in Bewegung zu kriegen.
Meyer: Wir sehen allerdings auch sehr viele junge Mediziner, deren Lebenswirklichkeit überhaupt nicht abgebildet wird, weil sie versuchen, digitaler und mit neuen Methoden – beispielsweise der Telemedizin – zu arbeiten. Wir sehen, im Bereich der wissenschaftlichen Beschäftigung mit Medizin viele Ansätze, wo Nachwuchskräfte nach Praktikumsjahren aus dem Ausland zurückkommen und einfach gar nicht umsetzen können, was sie gelernt haben – gerade wenn sie beispielsweise aus den USA kommen, wo dieses intersektorale und interdisziplinäre Arbeiten schon sehr viel weiter fortgeschritten ist. Das verlängert gewissermaßen, was Frau Kurscheid gerade gesagt hat. Wir dürfen also nicht „nur Kommune“ oder „nur SGB V“ denken, sondern es müsste eine Art virtueller runder Tisch entstehen, an dem die verschiedenen Interessen dargestellt und abgewogen werden und versucht wird, daraus Gesamtbilder zu formen. Ich glaube, es ist ein Öffnen von Türen, was jetzt mit den Diskussionen um die Klinikreform geschehen ist, und jetzt sieht man, wie diese Türen gern noch weiter aufgemacht werden könnten oder welche Ansätze man auch noch gar nicht gedacht hat.
Ich möchte auch einen Punkt noch mal hervorheben, der mir am Herzen liegt: die doppelte Facharztschiene. Die können wir aus meiner Sicht überwinden, denn wenn die jetzt skizzierte Klinikreform gerade im unteren Levelbereich sich durchsetzen sollte, dann brauchen wir diese Doppelung tatsächlich nicht mehr und hätten dann einen Gleichklang mit allen anderen EU-Ländern, in denen man ja oft nicht versteht, was wir hier tun. Also: Größer denken, weiterdenken, ganzheitlich denken, nichts stoppen, aber jetzt nochmal alles benennen, was wir als überwindungsbedürftig sehen. Da kann sich, von mir aus, das BMG ja gern an die Spitze der Bewegung setzen, wenn wir damit zu einer Lösung des gordischen Knotens rund um die Klinikreform kommen. Wir müssten uns hier also ganz neue Gesamtbilder und ganz neue Verantwortungs- und Arbeitszusammenhänge erarbeiten. Das war ja auch genau der Inhalt der Frühstücksveranstaltung, die wir auf dem Hauptstadtkongress mit unserem neuen Mitglied „Workday“ umgesetzt haben.
Kloepfer: Dann bräuchten wir aber auch eine neue Form der Ausbildung und der Vorbereitung auf das Leben aller Gesundheitsberufe. Das sind wir doch im Moment noch sehr weit weg von einer entsprechenden neuen Versorgungsrealität, oder?
Nagel: Im Rahmen des Masterplans 2020 zur Reform des Medizinstudiums ist in den letzten Jahren deutlich geworden, dass die Ausbildung der Medizinerinnen und Mediziner sich erweitern muss, um eine interprofessionelle und stärker interdisziplinäre Betrachtungsweise zu etablieren. Deshalb müssen wir dahin kommen, dass wir im Bereich der akademischen Ausbildung die Studiengänge immer wieder mit Schnittstellen ausstatten und gemeinsame, professionen-übergreifende Ausbildungseinheiten realisieren. Ein solche interprofessionelle Ausbildung gibt es in Ansätzen schon in einigen Universitätskliniken oder auch in anderen akademischen Einrichtungen, und das ist ein wesentlicher Ansatz für die Zukunft, wie man Menschen im Gesundheitswesen besser motivieren und vor allen Dingen langfristig binden könnte.
Kloepfer: Ein weiterer Aspekt, der mir allerdings Sorgen macht – und da hat der Minister meine Bedenken nicht gerade ausgeräumt –, ist die immer weitere rechtliche Ausdifferenzierung der Sektorengrenze. Ich denke, dass wir genau einen anderen Ansatz brauchen; und das haben wir ja auch in unserem Positionspapier vor der Wahl bereits thematisiert: Wir haben mehr als 30 Paragraphen, die alle aus unterschiedlichen Richtungen die Sektorengrenze adressieren, und wir müssten hier dringend zu einer Reduzierung kommen. Aber was Karl Lauterbach so ziemlich als Erstes gemacht hat, war – mit den Paragraphen 115e und 115f – zwei weitere Regelungen ins SGB V zu schreiben. Sind wir denn damit auf dem richtigen Weg? Ich glaube nicht.
Kurscheid: Das Ganze passiert dann häufig auch noch auf Verordnungsebene, und das ist meines Erachtens eine gefährliche Entwicklung, weil damit die Selbstverwaltung noch weiter ausgehebelt wird. Das ist im Grunde die gleiche Entwicklung, die schon bei Jens Spahn ihren Anfang genommen hat. Ordnungspolitisch finde ich das höchst kritisch, was da passiert. Wir haben auf unterschiedlichen Veranstaltungen, auch in der jüngsten Vergangenheit, immer mal wieder gehört, dass es eigentlich sinnvoll wäre, SGB XI und SGB V zu nehmen und daraus eine Synthese zu machen und damit den ganzen Komplex der Sozialgesetzgebung um viele alte Paragraphen zu bereinigen, die auch nicht mehr state of the art sind. Diese Chance wird meines Erachtens derzeit völlig ignoriert.
Meyer: Wir brauchen wirklich nicht noch mehr Paragraphen! Erstens: „Jedes Schriftl ist ein Giftl!“ Da finden sich immer Dritte, die anfangen, daran zu arbeiten und ihr eigenes Süppchen zu kochen. Und zweitens: Je komplexer du das System machst, umso schwieriger wird es sein, es zu reformieren. Wir wollen eben keinen „integrierten Appendix“ im Umfeld einer ansonsten weitgehend unveränderten Versorgung, sondern wir wollen ein echtes Umstellen der Versorgung unter Berücksichtigung integrierter Versorgungsansätze. Bitte keine weiteren Paragraphen. Wir brauchen jetzt eine Verringerung der Komplexität.
Kloepfer: Werfen wir aber zum Schluss doch noch mal einen Blick auf die Digitalisierung. Da sehen wir ja im Moment wenig. Wir haben zwar viele Versprechungen, aber eine aktuelle Gesetzgebung sehen wir noch nicht. Wird aus eurer Einschätzung die elektronische Patientenakte mit Opt-out die Versorgungsbereiche und Sektoren integrieren?
Meyer: Ich glaube, dass wir hier nach wie vor nicht den richtigen Weg gehen, indem wir zum einen viel zu langsam sind und zum anderen doch deutlich zu wenig bereit sind, von Erfahrungen aus dem Ausland zu lernen. Wir haben mit DGIV-Beteiligung in der Deutschen Akademie der Technikwissenschaften (acatech) gerade ein Thesenpapier zu Health Date Space im EU-Umfeld publiziert. Diese 40 Seiten lohnen sich wirklich zu lesen, weil man da noch mal die technischen Möglichkeiten erahnen kann, die es heute gibt (oder gäbe, wenn man umsetzen würde, was sich in Österreich, Lichtenstein, Spanien, Italien und sonst wo längst wiederfindet) und was dann tatsächlich in Deutschland vor dem Hintergrund einer im Gesundheitsbereich völlig überzogenen Datenschutzdiskussion tatsächlich umsetzt wird. Ich glaube, dass wir im Bereich der Digitalisierung viel mehr Möglichkeiten hätten, würden wir sie auch wirklich nutzen können. Wir sollten hier viel mehr die Diskussionen der Werthaltigkeit von Digitalisierung führen. Also: Was gewinne ich, wenn ich bestimmte Prozesse digitalisiere, und welche zusätzlichen Risiken gehe ich eventuell damit ein? Dann kann, aus meiner Sicht, die Gesellschaft viel besser und relativ klar beurteilen, wo es sich lohnt, mit neuen digitalen Prozessen ins Rennen zu gehen. Zum einen also, der Pflege und dem medizinischen Personal das Leben einfacher zu machen und zum anderen, den Patienten mindestens gleich gute aber nach Möglichkeit bessere Versorgung zu geben.
Seitdem Markus Leyck Dieken die gematik übernommen hat, hat sich sehr viel getan und ist sehr viel auf dem richtigen Weg gebracht worden. Diese Fortschritte haben jedoch gleichzeitig den Geist wachgerufen, die gematik dem BMG einzuverleiben. Der Gedanke aber, die gematik zur Umsetzungsagentur für Digitalisierung im Gesundheitswesen auszubauen, schießt meines Erachtens deutlich über das Ziel hinaus. Das sehe ich an anderer Stelle nirgendwo im richtigen Leben, dass ich eine Agentur brauche, um Technik umzusetzen.
Kloepfer: Dennoch und auch im größeren Kontext: Was die Integration der Sektoren betrifft, sind wir tendenziell vorsichtig positiv gestimmt?
Kurscheid: Also, ich muss ein bisschen Wasser in den Wein gießen: Wir sprechen hier von der Krankenhausreform, wir sprechen nicht vom Versorgungsgesetz I. Wir wissen nicht genau, was für tatsächlich regionale und sektorenübergreifende Instrumente und Elemente, außer dieses Faktum Level 1 vielleicht hineinkommt. Solange wir nicht das wirkliche Ergebnis über Eckpunkte hinaussehen, können wir froh sein, dass die handelnde Person einen Schritt weiter sind, dass Sie Bundesländer langsam mit der Antwort kommen, und dann muss man gucken, ob die detaillierte Ausarbeitung gelingt.
Meines Erachtens sollten in dem Gesetz die strukturellen Grundlagen geschaffen werden, die die Voraussetzung sind für eine sektorübergreifende Versorgung. Dies sind sowohl Fragen zur Vergütung und Governance als auch die notwendigen Freiräume, um eine Versorgung horizontal zu gestalten. Dabei wird es essentiell sein, alle Partner mit an den Tisch zu holen und nicht nur die Vertreterinnen und Vertreter der stationären Versorgung. Neben den KVen sollten auch die Vertreter der Praxiskliniken, der Belegärzte und MVZs gefragt werden, denn die haben mit einer zentrumsorientierten ambulanten Versorgung die größte Erfahrung. Zudem ist zu empfehlen – sollte Pflege eine weitere oder leitende Rolle in dem Kontext erhalten – auch diese mit einzubeziehen. Ansonsten darf sich die Frage zur sektorübergreifenden Versorgung nicht in einer Klinikreform beantworten lassen, denn so sind die niedergelassenen qua Reformgesetz schon im Nachteil!
Nagel: In Bezug auf die aktuelle Krankenhausgesetzgebung bin ich positiv gestimmt. Das ist gar keine Frage. Ich glaube, es haben aus einer strukturierten wissenschaftlichen Analyse sinnvolle Korrekturen mit Blick auf die Praxis Eingang gefunden in die Gesetzgebungsvorlagen, und insofern bin ich auch hoffnungsfroh, dass dieser Realitäts-Check dann auch tatsächlich dazu führt, dass am Ende des Tages realisierbare Maßnahmen aufgeschrieben werden.
Kloepfer: Es wird aber letztlich sehr darauf ankommen, ob die Konvergenzphase, die sich für eine intersektorale Umgestaltung oder zumindest Erweiterung des Systems anschließen muss, die Korridore zur Verfügung stellt, um die sich zeigenden Integrationstendenzen weiter in die richtige Richtung zu entwickeln.
Meyer: Das sehe ich so wie Du. Heute wird der Raum der Optionen definiert, und im Grunde sehen wir ja allerorts den Willen, das System zu stabilisieren und weiter zu verbessern. Nur wenn wir jetzt mit diesen Überlegungen starten und – trotz aller unterschiedlicher Ideen zur Umsetzung – konsequent Hand anlegen, werden wir perspektivisch Sektoren-, Disziplinen- und Professionsgrenzen überwinden.