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Contec Pressemitteilung: Von der Krise zur Veränderung

5. Zukunftsforum von contec eröffnet Perspektiven

Berlin, 13.09.2024. Wie kann die Sozialbranche die Zukunft aktiv mitgestalten und zur Überwindung der aktuellen Krisenstimmung in der Gesellschaft beitragen? Am 4. und 5. September kamen in Berlin Entscheidungsträger*innen der Sozialwirtschaft zum 5. Zukunftsforum Soziale Arbeit der Unternehmens- und Personalberatung contec zusammen, um gemeinsam nach Antworten zu suchen. Thema der renommierten Veranstaltung, die im Dorint-Hotel Kurfürstendamm stattfand, waren in diesem Jahr die sogenannten „Megatrends“ und ihre strategische Bedeutung für die Soziale Arbeit.

Gastgeberin Birgitta Neumann von contec stellte gleich zu Beginn klar, dass sich die vielschichtigen Probleme unserer Zeit nicht mit herkömmlichen Instrumenten lösen lassen: „Das Gefühl der Krise ist allgegenwärtig. Aber ist es überhaupt noch eine Krise oder befinden wir uns nicht vielmehr in einem globalen, hochkomplexen Veränderungsprozess? Komplexität erfordert komplexe Lösungsansätze − einfache, schnelle oder eindimensionale Lösungen sind oft zum Scheitern verurteilt.“ Die erfahrene Expertin für die strategische Neuausrichtung sozialer Organisationen appellierte deshalb an die teilnehmenden Führungskräfte aus der Sozialwirtschaft, nicht weiter in der Problembetrachtung zu verharren, sondern mutig neue Wege zu beschreiten: „Als Entscheider*innen müssen wir uns dem gesellschaftlichen Wandel stellen. Wer, wenn nicht wir? Soziale Arbeit hat den Auftrag, auf gesellschaftliche Bedarfe zu reagieren.“

Evolution statt Disruption: Wie gesellschaftliche Veränderung gelingt

Dass diese Veränderungen am besten in kleinen Schritten, also evolutionär und nicht disruptiv erfolgen sollten, dazu riet der bekannte Soziologe Professor Dr. Armin Nassehi in seinem ebenso scharfsinnigen wie unterhaltsamen Vortrag: „Systeme sind träger als ihre Umwelt. Disruptive Veränderungen führen daher zu Überforderung und Widerstand.“ Menschen seien durchaus in der Lage, Veränderungen auszuhalten, aber: „Sie brauchen dafür ein Kontinuitätsversprechen“. Das derzeit omnipräsente Gefühl der Dauerkrise sei eine neue „Visibilitätserfahrung“ – Themen wie Klimawandel und Digitalisierung seien schon seit Langem bekannt, aber ihre Folgen und die Vulnerabilität der modernen Gesellschaft würden erst jetzt spürbar.

Sozialpolitik: Offene Prioritätendebatte notwendig

Der ehemalige Caritas-Generalsekretär und Volkswirtschaftler Professor Dr. Georg Cremer warnte davor, in der Politik einseitig auf die Interessen der Mittelschicht zu setzen und die Belange benachteiligter Menschen zu vernachlässigen. Die Prioritätendebatte in der Sozialpolitik könne nicht mehr lange aufgeschoben werden: „Diese Diskussion nicht zu führen, verhindert nicht, dass am Ende nach Priorität entschieden wird. Dann aber verdeckt – und, so ist zu befürchten, eher zu Lasten des ‚unteren Randes‘ unserer Gesellschaft.“ Der soziale Bereich müsse dazu beitragen, dass diese Debatte offen und transparent geführt wird. Cremer plädierte für mehr Selbstwirksamkeit und die Befähigung der Menschen: „Die entscheidende Frage ist, ob wir das Mögliche tun, damit Menschen ihre Potenziale entfalten können.“

Würdezentrierte Begleitung und Empowerment

Clemens Sedmak vom Internationalen Forschungszentrum für soziale und ethische Fragen, der per Video aus den USA zugeschaltet war, setzte sich für eine „würdezentrierte Begleitung“ ein, die Menschen in die Lage versetzt, selbstbestimmt und frei zu leben. Er verwies auf den Capability Approach-Ansatz von Amartya Sen. Danach sind Maßnahmen vor allem dann erfolgreich, wenn sie es den Menschen ermöglichen, das Leben zu führen, das sie sich wünschen.

Führung neu denken: New Leadership und Empowerment

Verena Bikas von Diakoneo stellte ihr Konzept des „New Leadership“ vor, bei dem Empowerment und Partizipation im Mittelpunkt stehen. Führung bedeute heute vor allem Begleitung, Motivation und die Schaffung von Freiräumen für Mitarbeitende. Der Megatrend „New Work“ sei weit mehr als schicke Büros und Remote-Arbeit. Mitarbeitende erwarteten Autonomie, Anerkennung und Mitgestaltungsmöglichkeiten. „Einfach mal machen – ausprobieren, Vertrauen haben, ändern und weiterentwickeln“, war Bikas’ pragmatischer Rat.

In zehn Schritten zu mehr Innovation

Wie wichtig die Unternehmenskultur und der Umgang miteinander für Soziale Innovationen sind, betonte auch Professorin Dr. Lisa von der Heydte in ihrem Vortrag. Für die Kongressteilnehmer*innen hatte sie ihre persönlichen Top Ten zusammengestellt, die sie mit inspirierenden Beispielen aus der Social-Entrepreneur-Szene unterlegte. „Innovative Organisationen kombinieren Bewährtes mit Neuem und leben Hybridität“, so von der Heydte. Sie ermutigte die Teilnehmenden, Kreativität und Spaß an der Sache zuzulassen, über den eigenen Tellerrand zu schauen und Netzwerke aufzubauen.

Professor Dr. Andreas Schröer betonte die Bedeutung sozialer Innovationen, um den demografischen Wandel und die Digitalisierung zu bewältigen. Soziale Innovationen entstünden oft auf lokaler Ebene in kollaborativen Prozessen und böten die Chance, Unsicherheiten produktiv zu nutzen und organisationale Routinen zu hinterfragen.

Demografischer Wandel und Urbanisierung als Herausforderung

Mit den beiden Megatrends Demografischer Wandel und Urbanisierung und ihren Auswirkungen auf die Soziale Arbeit setzten sich Dr. Florian Breitinger und Dr. Martin F. Reichstein auseinander: Unsere Gesellschaft wird in den nächsten 15 Jahren nicht nur weniger, sondern auch älter und diverser. Deshalb müsse das derzeitige Angebot der Altenhilfe weiter ausdifferenziert und um neue Arbeitsfelder ergänzt werden. Ländliche Regionen stünden hierbei vor besonderen Herausforderungen. Schon jetzt seien soziale Dienste auf dem Land stark ausgedünnt und nur schwer zu erreichen. Hybride Angebote, die Präsenz- und digitale Angebote kombinieren, könnten hier Abhilfe schaffen.

Workshops und Thementische als Raum für Austausch

Neben den Vorträgen hatten die Teilnehmenden in verschiedenen Workshops und an Thementischen Gelegenheit, zu ausgewählten Themen ins Gespräch zu gehen und gemeinsam Lösungsansätze zu erarbeiten. Zur Auswahl standen hier u. a. die Themen Digitalstrategie und KI, Innovationstechniken, Digitale Assistenzsysteme, Produktionscontrolling in Werkstätten für Menschen mit Behinderung sowie die Chancen und Herausforderungen des Kinder- und Jugendstärkungsgesetzes.

Am Ende der beiden Tage fasste ein Teilnehmer seine Eindrücke zusammen: „Mit seiner Themenvielfalt hat mir das Forum wieder viele wichtige Anregungen gegeben. Vor allem die verschiedenen Sichtweisen und Lösungen für Probleme, die wir alle in der Branche haben, sind wertvoll. Denn im Alltag kommen wir oft nicht dazu, diese Fragen in ihrer Tiefe richtig zu erfassen und neue Ansätze umzusetzen.“