Empfehlungen des Bundesrates

Im Juli 2024 brachte der Bundesrat Empfehlungen ein, die die Wiedereinführung der PVZ in das GVSG forderten. Diese Empfehlungen beinhalteten unter anderem:

  • Erweiterung des Versorgungsspektrums: Neben hausärztlicher Versorgung sollen PVZ je nach regionalem Bedarf auch pädiatrische, gynäkologische, psychotherapeutische und weitere medizinische Grundversorgung anbieten können.
  • Niedrigere Hürden für die Gründung: Die Mindestanforderung von drei hausärztlichen Versorgungsaufträgen wurde auf einen hausärztlichen Versorgungsauftrag gesenkt, um die Gründung von PVZ auch in ländlichen Regionen zu ermöglichen.
  • Kooperative Leitung: Es wurde vorgeschlagen, dass PVZ nicht nur von Ärzten geleitet werden können, sondern auch eine kooperative fachliche Leitung durch verschiedene Gesundheitsberufe möglich sein sollte.
  • Finanzierung und Vernetzung: Die Finanzierung sollte durch eine Kombination aus Mitteln der Kranken- und Pflegeversicherung, kommunalen Mitteln und Steuergeldern gesichert werden. Zudem wurde die Bedeutung der Vernetzung mit kommunalen Diensten und Präventionsangeboten hervorgehoben.
  • Case Management: Der Bundesrat betont zudem auch die Rolle von Case Managern innerhalb der PVZ zu implementieren. Diese sollen insbesondere bei der Koordination der Versorgung, der Organisation von Behandlungsabläufen und der Unterstützung von Patienten in komplexen Fällen helfen.

Schweden und Österreich

Ein Blick ins europäische Ausland kann wertvolle Orientierung bieten, wie die erfolgreiche Umsetzung von Primärversorgungszentren gelingen kann. Die schwedischen Versorgungszentren zeichnen sich durch multiprofessionelle Ansätze, eine starke gemeindenahe Versorgung, ein breites Leistungsspektrum, die Integration verschiedener Angebote der Akut- und Langzeitversorgung sowie die offensive Nutzung digitaler Technologien aus. Es werden unter anderem Pflegefachkräfte eingesetzt, die nach akademischer Qualifizierung anspruchsvolle Aufgaben übernehmen und auch arztentlastend tätig werden. Die Versorgungszentren zeichnen sich durch eine pragmatische, partnerschaftliche und kommunikative Kooperationskultur aus.

Auch bei unseren Nachbarn in Österreich werden auf Basis des 2023 in Kraft getretenen Primärversorgungsgesetzes sogenannte Primärversorgungseinheiten (PVE) in die Versorgungslandschaft implementiert. Derzeit gibt es 69 PVE, in denen mindestens zwei Ärzte für Allgemeinmedizin, diplomierte Gesundheits- und Krankenpflegepersonen, Ordinationsassistenten und gegebenenfalls Fachärzte für Kinder- und Jugendheilkunde tätig sind.

Projekte in Deutschland

Auch in Deutschland gab und gibt es Ansätze, um das Konzept der Primärversorgungszentren zu konkretisieren und in der Versorgungsrealität zu testen und evaluieren. Ein Beispiel hierfür ist der von der Robert-Bosch-Stiftung erprobte Ansatz der PORT-Projekte. Diese Projekte sollen zeigen, wie die Zusammenarbeit verschiedener Gesundheitsberufe in einem Zentrum zu einer besseren und koordinierten Patientenversorgung führt.

Ein weiteres Beispiel ist das Innovationsfondsprojekt PRIMA in Baden-Württemberg, das die Transformation von Hausarztpraxen zu multiprofessionellen Primärversorgungszentren mit Pflegefachpersonen fördert. Das Projekt startet im Januar 2025. Ziel ist es, die Integration von Pflegefachpersonen in den Praxisalltag zu stärken und das Versorgungsspektrum zu erweitern.

Woran noch gearbeitet werden muss

Es gibt allerdings noch eine Reihe von Aspekten, die vor einer flächendeckenden Einführung von PVZ präzisiert werden müssen:

  • Finanzierung und Förderung: Die Finanzierung von PVZ sollte langfristig gesichert werden, beispielsweise durch Mittel der Kranken- und Pflegeversicherung, kommunale Fördermittel und Steuergelder. Eine Anschubfinanzierung aus Mitteln des Strukturfonds ambulant und des Krankenhausstrukturfonds wäre sinnvoll.
  • Regulatorische Rahmenbedingungen: Es bedarf klarer Regelungen zur Heilkundeübertragung und zur Zusammenarbeit verschiedener Berufsgruppen. Zudem sollte die Anerkennung und Integration weiterer Gesundheitsberufe wie CHN und Physician Assistants gefördert werden.
  • Kooperation und Vernetzung: Die Zusammenarbeit mit lokalen Akteuren wie Fachärzten, Pflegestützpunkten und Krankenkassen ist entscheidend für den Erfolg der PVZ. Hier sollten verbindliche Kooperationsvereinbarungen und Vernetzungsstrukturen etabliert werden.
  • Qualitätsmanagement: Es sollten Indikatoren für Struktur-, Prozess- und Ergebnisqualität entwickelt und entsprechende Daten generiert werden, um ein bedarfsgerechtes Management der Angebote zu gewährleisten.
  • Patientenzentrierung und Gesundheitskompetenz: Die Mitarbeitenden in den Zentren sollten ein gemeinsames Gesundheitsverständnis verinnerlicht haben, welches die Lebenswelt und -realität der Patienten ebenso berücksichtigt wie die medizinischen und pflegerischen Gegebenheiten.
  • Case Management: Die Integration von Case Managern in die PVZ ist relevant, um eine nahtlose und für die Ärzte entlastende Versorgung zu gewährleisten. Diese Fachkräfte können die Patienten durch das Gesundheitssystem leiten, wodurch das Nebeneinander von Unter-, Fehl- und Überversorgung ein Stück weit abgebaut werden könnte.

Primärversorgungszentren können ein wesentlicher Baustein zur Sicherung einer flächendeckenden und qualitativ hochwertigen Gesundheitsversorgung in Deutschland sein. Durch die Bündelung verschiedener Gesundheits- und Sozialdienste unter einem Dach, die Förderung interdisziplinärer Zusammenarbeit und die Nutzung digitaler Technologien können PVZ einen wichtigen Beitrag zur Bewältigung der aktuellen und zukünftigen Herausforderungen im Gesundheitswesen leisten. Es ist nun an der Politik und den Gesundheitsakteuren, die notwendigen Rahmenbedingungen zu schaffen und die Umsetzung dieses vielversprechenden Konzepts konsequent voranzutreiben.