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ÄND: KHVVG „Absolut unzureichend und viel zu kurz gedacht“

Die Kritik an der geplanten Krankenhausreform reißt nicht ab. Im Vorfeld der heutigen Anhörung im Gesundheitsausschuss des Bundestags warnen die Pädiater vor einem Sterben der Kinderkliniken, der BDI sieht Hausarztpraxen bedroht. Auch die BÄK fordert Nachbesserungen.

„Wir wünschen uns kluge Reformen, die solche Konsequenzen für andere Sektoren berücksichtigen und ineinandergreifen”, sagt BDI-Chefin Neumann-Grutzeck.

„Gefährliche Lücken in der Krankenhausreform bringen noch mehr Kinderkliniken in Existenznot“, warnt die Deutsche Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin (DGKJ). Zwar habe die Fachgesellschaft versucht, sich Gehör zu verschaffen – aber ohne Erfolg. „Die DGKJ hat sich als wissenschaftliche Fachgesellschaft der gesamten Kinder- und Jugendmedizin bisher an allen Schritten des Gesetzes beteiligt und die Aspekte der Kinder- und Jugendmedizin deutlich vernehmbar und nachdrücklich eingebracht. Diese existenziellen Argumente jedoch blieben bisher ungehört“, beklagt DGKJ-Generalsekretär Priv. Doz. Dr. Burkhard Rodeck.

„Wir hofften auf Einsicht und fürchten allerdings das Gegenteil. Die aktuelle Gesetzesidee gefährdet in ganz akutem Maß die stationäre Versorgung unserer Kinder und Jugendlichen – und dies auf lange Sicht“, so Rodeck weiter. Nach wie vor erfassten die Vorgaben des KHVVG für die Leistungsgruppe „Spezielle Kinder- und Jugendmedizin“ den Bedarf und die Realität in der Versorgung kranker Kinder und Jugendlicher nur unzureichend. Es drohten weitere Schließungen. Hier geht es zum Positionspapier der Fachgesellschaft.

Auch Bundesärztekammer-Präsident Dr. Klaus Reinhardt hat Nachbesserungen angemahnt. „Wir alle brauchen diese Reform, sie muss sich aber daran messen lassen, ob sie spürbare Verbesserungen bei der Personalausstattung, bei den Arbeitsbedingungen, beim Bürokratieabbau und bei der ärztlichen Nachwuchssicherung bringt“, betonte er. Es gebe „noch einige Leerstellen, die im weiteren parlamentarischen Verfahren gefüllt werden müssen“.

Die Frage einer ausreichenden Personalausstattung werde künftig zu einem Schlüsselthema für Versorgungsqualität und -sicherheit werden. Die ärztliche Weiterbildung sei dabei die entscheidende Stellschraube. „Die ärztliche Weiterbildung muss deshalb im stationären wie im ambulanten Bereich ausreichend und angemessen finanziert werden“, forderte Reinhardt. Hier geht es zur Stellungnahme der BÄK.

Der Berufsverband Deutscher Internistinnen und Internisten (BDI) fordert eine stärkere Verknüpfung mit dem ambulanten Sektor und warnt davor, dass die Vorhaltefinanzierung auf Basis von Fallzahlen weiterhin zu Ineffizienzen im Gesundheitswesen führen wird. Die aktuellen Reformpläne seien „absolut unzureichend und viel zu kurz gedacht“, kritisierte Präsidentin Christine Neumann-Grutzeck, praktizierende Fachärztin für Innere Medizin und Diabetologie.

Es fehlten sektorenübergreifende Ansätze. Die Reduzierung von Krankenhausstandorten werde den Bedarf an ambulanter Versorgung erhöhen. „Wir wünschen uns kluge Reformen, die solche Konsequenzen für andere Sektoren berücksichtigen und ineinandergreifen. Wir brauchen keine Insellösungen“, betont die BDI Präsidentin.

Der BDI lehnt insbesondere die Errichtung hausärztlicher Institutsambulanzen vehement ab. Diese Regelung bedrohe inhabergeführte hausärztliche Praxen und werde „die ärztliche Unabhängigkeit sowie die Leistungsfähigkeit der hausärztlichen Versorgung schwächen“.

Auch Bayerns Gesundheitsministerin Judith Gerlach meldete sich zu Wort. „Diese Reform hat zu viele Mängel, weil Bundesgesundheitsminister Lauterbach die Vorschläge der Länder konsequent ignoriert hat“, sagte sie. Dies müssten die Abgeordneten des Bundestages nun korrigieren. „Sonst schafft diese Reform mehr Probleme, als sie löst – angefangen mit unkontrollierten Klinikschließungen.“

Der Hausärztinnen- und Hausärzteverband warnte vor einer Torpedierung der hausärztlichen Strukturen durch die geplante Krankenhausreform und spiele damit auf die geplante Regelung an, wonach kleine Kliniken hausärztliche Versorgung mitübernehmen sollen. „Statt einer Unterstützung der überlasteten Hausarztpraxen, werden die Kliniken den hausärztlichen Nachwuchs mit höheren Gehältern – unterstützt durch Finanzspritzen auf Kosten der Steuerzahler – abfischen, sodass immer mehr Praxen ohne Nachfolge schließen müssen“, kritisierte die Verbandsspitze, Prof. Dr. Nicola Buhlinger-Göpfarth und Dr. Markus Beier, am Mittwoch. Der Verband warnte vor dem Wegfall wichtiger Leistungen, wie Hausbesuche und Palliativversorgung, sowie vor der Rosinenpickerei durch die Kliniken.

Der Vorstandsvorsitzende der Techniker Krankenkasse, Dr. Jens Baas, forderte eine Reform mit bundesweit verlässlichen Qualitätsvorgaben. Nur so könnten die Menschen sich darauf verlassen, dass die Kliniken in ganz Deutschland die notwendige Ausstattung, Erfahrung und Expertise für eine gute Behandlung bieten. „Die Reform darf nicht durch faule Kompromisse und Ausnahmeregeln ausgehöhlt werden“, betonte er. Erneut machte Baas deutlich, dass die Finanzierung des geplanten Transformationsfonds nicht die Aufgabe der GKV sei, sondern aus Steuergeldern zu finanzieren sei. Ähnliche Forderungen kamen am Mittwoch vom BKK Dachverband. Die Betriebskrankenkassen halten eine umfassende Überarbeitung des Gesetzentwurfs für notwendig. Denn der vorliegende Entwurf gefährde das Ziel einer nachhaltigen Verbesserung der Krankenhausversorgung. Eine bundeseinheitlich qualitativ hochwertige Versorgung könne nur durch einen möglichst verbindlichen Rahmen bundeseinheitlicher Vorgaben zur Einteilung in Leistungsgruppen und zu Qualitätskriterien erreicht werden.

Nach Auffassung der Deutschen Gesellschaft für Integrierte Versorgung im Gesundheitswesen (DGIV) sind die vorgesehenen Schritte, die Sektorengrenzen zu überwinden, unzureichend. „Wir sehen zwar die Bemühungen des Gesetzgebers, die ambulanten Versorgungspotentiale zu heben, halten aber die Ansätze des KHVVG auf diesem Weg für unzureichend und zum Teil kontraproduktiv“, sagte der DGIV-Vorstandsvorsitzende Prof. Dr. mult. Eckhard Nagel. Als bedenklich bezeichnete die Fachgesellschaft, dass Ambulantisierung im KHVVG fast ausschließlich vom Krankenhaus her gedacht und organisiert werde. Stattdessen müsste allen entsprechend qualifizierten Leistungserbringen gleichermaßen Chancen und Möglichkeiten dazu eröffnet werden, forderte sie in ihrer Stellungnahme zum Gesetzentwurf.

Diese Problematik werde durch die Finanzierung des Ausbaus einer neuen, vom Krankenhaus ausgehenden ambulanten Versorgungsebene weiter verschärft, argumentierte Nagel. Die Finanzierung und Subventionierung dieses Vorhabens durch den Transformationsfonds stelle eine eklatante Wettbewerbsverzerrung zwischen vertragsärztlicher Versorgung und Krankenhausversorgung auf Kosten der Beitragszahler dar.

Auch nach Auffassung des Bundesverbandes Managed Care (BMC) bleibt das KHVVG in der „stationären Perspektive verhaftet und verankert diese geradezu mit einem immer komplexeren Regelwerk“. Diese Energie sollte besser in den Aufbau regionaler und ambulant-stationärer Versorgungswege investiert werden, betonte der Verbandsvorsitzende Prof. Lutz Hager. Er schlug vor, das KHVVG um regionale Gesundheitszentren als neue sektorenübergreifende Betriebsform zu ergänzen und den Transformationsfonds auch für regionale und sektorübergreifende Kooperationen zu nutzen.

25.09.2024 09:23, Autor: ks/ea, © änd Ärztenachrichtendienst Verlags-AG

Quelle: https://www.aend.de/article/231081