(Berlin) – Überwiegend kritisch sieht die Deutsche Gesellschaft für Integrierte Versorgung im Gesundheitswesen e.V. (DGIV) den Entwurf eines Gesetzes zur Reform der Notfallversorgung. „Die Einführung integrierter Notfallzentren und die stärkere Einbindung der Kassenärztlichen Vereinigungen sind begrüßenswerte Schritte, aber der Entwurf greift in wesentlichen Kernproblemen der Notfallversorgung zu kurz“, so der Notfallbeauftragte der DGIV Dr. Tim Flasbeck heute im Rahmen einer Anhörung im Gesundheitsausschuss des Deutschen Bundestages. Die unzureichende Berücksichtigung struktureller Ineffizienzen und die mangelnde Weiterentwicklung der Patientensteuerung in der gesamten Notfallkette lasse zentrale Potenziale ungenutzt.
Der Gesetzentwurf sieht vor, die Leitstellen und deren Prozesse effizienter zu gestalten, allerdings sieht die DGIV auch im Bereich der Patientensteuerung durch den Rettungsdienst großes Optimierungspotential, das die Notaufnahmen entlasten könnte. „Der Rettungsdienst muss bereits am Ort der ersten Patientenversorgung eine effiziente initiale Triagierung sicherstellen können, die die Frage beantwortet, ob die Behandlung im niedergelassenen Bereich noch am selben Tag erfolgen muss. Nur so können unnötige Kapazitätsbindungen vermeiden werden“, so Dr. Flasbeck. Die DGIV sieht darüber hinaus einen erheblichen Mangel an innovativen Raum- und Betriebskonzepten für Notaufnahmen. „Die räumliche Organisation der Notaufnahmen spiegelt veraltete Strukturen wider, die von Politik, Selbstverwaltung und Behörden noch immer starr vorgeschrieben werden“, kritisiert Dr. Flasbeck. Studien hätten gezeigt, dass eine effiziente räumliche Neugestaltung den Arbeitsaufwand für das Personal erheblich verringern könne. „Moderne Konzepte könnten unnötige Wege und Wartezeiten drastisch reduzieren, aber dazu fehlen im Entwurf konkrete Lösungsansätze.“
Grundsätzlich kritisch nimmt auch der DGIV-Vorstandsvorsitzende Prof. Dr. mult. Eckhard Nagel zur aktuellen Situation in der Notfallversorgung Stellung, denn die Notfallversorgung sei ein Bereich, in dem sich die veränderten Leistungsanforderungen im Gesundheitswesen besonders deutlich zeige. „Die Aufgaben in der Notfallversorgung und das Profil der Notfallpatienten haben sich in den letzten Jahrzehnten grundlegend gewandelt. Auch die Art und Weise, wie die Bevölkerung Notfalleinrichtungen in Anspruch nimmt, hat sich stark verändert. Aus diesem Grund müssen die Angebote angepasst werden: Statt auf hochspezialisierte, isolierte Primärangebote zu setzen, braucht es sektorenübergreifende, integrierte Versorgungsstrukturen. Die Notfallversorgung ist damit ein gutes Beispiel für das Potenzial integrierter Versorgung im gesamten Gesundheitswesen“, so der DGIV-Vorstandsvorsitzende.
Die DGIV-Stellungnahme zur Notfallversorgung ist abrufbar unter: https://dgiv.org/2024/11/06/stellungnahme-der-dgiv-zum-entwurf-eines-gesetzes-zur-reform-der-notfallversorgung-notfallgesetz/